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Bericht zur Veranstaltung „Fluchtziel Europa 3“

Veröffentlicht am 17.01.2017 in Veranstaltungen

Am 14.01.2017 hat im Badischen Staatstheater die Veranstaltung „Fluchtziel Europa 3“ stattgefunden. Dies ist die dritte Veranstaltung in der Veranstaltungsreihe des Staatstheaters gewesen. Ortsvereinsvorsitzender Tim Denecke hat an dieser Veranstaltung teilgenommen.

 

In der ersten Veranstaltung wurde sich mit den Fluchtursachen beschäftigt und der Frage, was Deutschland für die Menschen attraktiv macht. Fazit dieser Veranstaltung ist gewesen, dass Bürgerkriesgflüchtlinge nur die Spitze des Eisberges seien und Flucht/Migration ein Phänomen des 21. Jahrhunderts sei, das uns noch lange beschäftigen wird.

Im Zuge der zweiten Veranstaltung wurde die Integration der Menschen in unsere Gesellschaft diskutiert und welche Umgangsformen einer gelingenden Integration am förderlichsten sind.

In der nun letzten Veranstaltung ging es darum, die Vision einer Welt zu entwickeln, wie sie in der Zukunft (es wurden 20 Jahre als mögliche Zeitspanne genannt) aussehen soll und in was für einer Gesellschaft wir eigentlich leben wollen. Eine Gesellschaft, in der sich alle abschotten und keiner den anderen an sich ranlässt? Oder eine offene Gesellschaft, die jeden so nimmt wie er/sie ist, trotzdem aber klare Regeln für das Zusammenleben formulieren und durchsetzen kann?

Im Moment wird eine intensive Sicherheitsdebatte in Deutschland geführt. Daher sei es umso wichtiger zu überlegen, wie unsere Gesellschaft mit Freiheit und Sicherheit umgehen will.

Im kleinen Haus wurde unter Moderation von Claus Heinrich mit einem hochbesetztem Podium über diese Vision diskutiert. Dieses Podium ist besetzt gewesen mit folgenden Personen:

Prof Dr. Susanne Baer Bundesverfassungsrichterin 
Selcuk Cara Sänger, Theater-, Filmregisseur und Autor
Hadija Haruna Journalistin, Hessischer Rundfunk 
Evelyne Gebhardt Mitglied des Europäischen Parlaments 
Dr. Frank Mentrup Oberbürgermeister der Stadt Karlsruhe

Jedem Referent wurde zu Beginn die Möglichkeit gegeben, mit einem Eingangsstatement die Visionen/Wünsche der eigenen Wunschvorstellung der Gesellschaft zu präsentieren.

Frau Prof Dr. Baer hat vor allem klar gemacht, dass man die Überlegungen nicht zu weit in die Zukunft verlagern dürfe und Zukunft im Grunde gleich stattfinden würde. Besonders das Grundgesetz würde sie besonders stolz auf Deutschland machen. Der Rechtsstaat gebe uns die Möglichkeit, keine Willkür walten zu lassen, sondern klare und faire Verfahren durchzuführen, in denen sich jeder wehren kann und verhandelt werden kann. Wenn etwas allerdings doch schief laufe, gäbe es immer noch den Rechtsschutz, der uns vor Unrecht mit neuen Verfahren und Ähnlichem schütze. Mit den Grund- und Menschenrechten hätten wir durchsetzbares Recht, das Menschenwürde und ein Existenzminimum zusichern würde. Besonders aber müssten wir vor Vorurteilen schützen, die von vielen geteilt werden. Insgesamt empfiehlt sie weniger Couch und mehr Aktivität.

Selcuk Cara beschrieb das Leben als Türke in Deutschland und die Schwierigkeit seine Ziele erreichen zu können, wenn man nicht das gleiche „Blut“ wie die Bevölkerung vor Ort teile. Die Nationalität hätte extremen Einfluss auf die gesellschaftliche Anerkennung und würde somit die Integration behindern. Als Sänger und Theaterregisseur habe er die Kultur der Denker und Dichter vollständig aufgesaugt und sei über die kulturell der Deutschen viel besser informiert als diese selber, aber trotzdem würden die Leute ihn immer wieder auf sein türkisches Aussehen zurückführen.

Die Europaabgeordnete Evelyn Gaber, die für den erkrankten Martin Schulz einen Input gab, appellierte an die Gleichheit aller Menschen. Damit seien explizit alle Menschen gemeint und nicht nur die deutschen Menschen. Sie hob mit großer Begeisterung hervor, was für eine unglaubliche Leistung es sei, dass 28 Staaten mit 24 Sprachen zu einer Gesellschaft zusammengeführt werden konnten, die seit ihrer Zusammenführung keinen Krieg mehr erlebt haben. Krieg dürfte sich nie wiederholen und wir müssten die Friedensdividende zu wertschätzen wissen.

Die Journalistin Hadija Haruna stellte fest, dass es 2015 19.000 Beiträge zu der Flüchtlingsthematik gegeben hätte, so viel wie in den letzten Jahren zuvor zusammengenommen. Lügenpresse sei als Schlagwort salonfähig geworden. Die Kritik an den Medien, die sonst eher aus den extremistischen Lagern komme, würde nun auch aus breiten Teilen der Bevölkerung kommen. Die Bezeichnung als „Nafri“ sei eine rassistische Diskriminierung, die so nicht hinnehmbar sei. Nordafrikaner per se dürfe keine Täterbeschreibung sein. Sie plädierte darauf, Zuwanderung als ein Glück aufzufassen, dass wir gestalten müssten. Tradition als das anzuführen, das Deutschland oder Deutsche auszeichnen würde, sei nur ein Hilferuf in der modernen Welt. Deutschland sei viel heterogener als viele Menschen meinen würden. Alles in allem müsse sich die Republik verändern.

Als letzter Input kam der Oberbürgermeister Dr. Frank Mentrup auf die Bühne, der direkt damit begann, dass er sich in Diskussionen mehr Faktenbezogenheit wünsche. Das angeblich postfaktische Zeitalter würde als persönliches Schicksal akzeptiert werden, das man nicht ändern könne. Der Oberbürgermeister warf einen Blick in die Geschichte Karlsruhe, in der es zu Zeiten der Stadtgründung einen Privilegienbrief gab, sodass möglichst viele Menschen nach Karlsruhe kommen würden. Karlsruhe habe schon seit immer große Fluktuationen gehabt, so haben sich im letzten Jahr zwischen 23000 und 25000 abgemeldet, genauso viele sind aber auch wieder in die Stadt gezogen. Insofern ändere sich die Stadtgesellschaft in kurzen Intervallen. Er stelle eine sehr werteorientierte Jugend fest, die sich allerdings besonders im privaten Raum aufhalten würde und den öffentlichen Raum meiden würde. Allen Menschen müsste das Gefühl für gute Zukunft gegeben werden, um sie gut in die Stadtgesellschaft einbinden zu können. Die momentan niedrige Flüchtlingszahl im Vorgleich zu den Vorjahren sei vor allem Ergebnis des eigenen Rausziehens aus der Verantwortung, das Problem sei nur verschoben, nicht gelöst. Er appellierte klar und deutlich für ein Zuwanderungsgesetz.

Im Anschluss an diese einzelnen Statements wurde eine kontroverse Debatte über die Visionen und Vorstellungen geführt.

Besonders hervorgehoben wurde das deutsche Grundgesetz, dass ein gutes Gerüst für die Gesellschaft sei und weltweit Anerkennung finden würde. Im Grunde hätte man dafür die Grundlagen für eine engagierte Zivilgesellschaft. Vor allem könne man dem Populismus mit demokratischen Verfahren entgegen halten.

Die Freizügigkeit der Menschen sei ein so hohes Gut, das allerdings kaum noch wertgeschätzt würde. Europa kranke vor allem an den Egoismen der Regierungen in den Nationalstaaten, die endlich abgelegt werden müssten.

Selcuk Cara meinte, dass die gesamte Debatte die Angst der Menschen zum Ausdruck bringen würde, dass es Ihnen schlechter gehen könnte. Besonders stören würde es Ihnen, wenn von der deutschen Kultur gesprochen würde, die nicht verloren gehen dürfe. Die wenigsten wüssten, was deutsche Kultur bedeute und was dahinter stecke. Sie würden es viel mehr als Fassade nutzen.

Die momentan geführten Diskussionen seien zum Teil auch scheinheilig, da die Probleme der Flüchtlingskrise auch lange vor dem Ausbrechen bekannt gewesen seien. Durch den vermeintlichen Schutz des Dublin-III Abkommens wollten wir uns allerdings nicht mit diesem unangenehmen Thema beschäftigen. Zuerst müsse eine Selbstklärung stattfinden, um daraus dann eine Vision entwickeln zu können. Man müsse Verständnis für andere lernen, um keine Angst mehr zu haben. Wenn die Menschen in der Gesellschaft nicht aufgenommen werden, suchen sie sich andere Wege, um einen Sinn für das Leben zu finden.

Zum Abschluss der ersten Phase wurde die Frage diskutiert, wie mit den Menschen umgegangen werden müsse, die sich nicht integrieren wollen.

Eine Antwort auf diese schwere Frage zu stellen ist dem Podium nicht einfach gefallen, letztendlich gehe es aber darum, eine wehrhafte Demokratie zu haben, die den Menschen klar mache, dass es Regeln des Zusammenlebens gebe, die akzeptiert werden müssten, den Menschen vom Staat aber auch nicht vorgeschrieben werden darf, wie sie zu leben hätten. Man müsse mit Herz und Kopf an die Sache gehen und immer wieder mit den Leuten reden. Man müsse Haltung zeigen, auch, wenn es schwer fallen könne. Besonders dürfe man sich nicht der Versuchung hingeben, Menschen in Schubladen zu packen, sondern sich differenziert mit jedem einzelnen Menschen auseinander zu setzen.

Damit endete die erste Runde und es wurde das World-Café eröffnet, in dem sich an vielen Gruppentischen mit einem Experten zusammengesetzt wurde und über die eigenen Visionen gesprochen wurden. Wir sind an dem Tisch, an dem ich dabei gewesen bin, schnell übereinkommen, dass die Sensibilisierung der Menschen schon früh stattfinden müsse und Schule sowie Erziehung das Wesentliche sind, dass die Menschen später formen. Die Ungleichheit in der eigenen Gesellschaft ist dabei ein großes Problem, das genauso angegangen werden müsse. Eine Gesellschaft ist am Ende des Tages nur so stark, wie es ihre Zivilcourage ist.

Nach dem Ende dieser World Café Phase kam es zur letzten Runde, in der die Experten der ganzen Tische ihre Gruppenergebnisse ausgedrückt haben und im Anschluss eingeladene Flüchtlinge von ihren Erfahrungen in Deutschland.

Ich muss ehrlich sagen, dass mich diese Veranstaltung sehr beeindruckt hat. Die Partizipation ist riesig gewesen (das gesamte kleine Haus des Staatstheaters ist gefüllt gewesen) und auch durch die Referenten konnten tolle Inputs gegebenen werden. Alles in allem kann ich für mich festhalten, dass dieses Thema uns alle sehr beschäftigt und viele sich noch viel zu wenig mit den Themen, die wir gemeinsam schultern müssen, auseinandergesetzt haben.

Mir hat dieser Abend Hoffnung gemacht, weil er gezeigt hat, wie engagiert hier in Karlsruhe diskutiert wird. Es war damit ein guter Einstieg in das Jahr 2017 und ich hoffe, dass wir auch weiterhin so engagiert an diesem Thema und vielen anderen weiter diskutieren werden.

Schließen möchte ich meinen Bericht mit der Aussage von Yamen Hussein (ein syrischer Lyriker und Journalist), der in meinen Augen den zentralen Punkt getroffen hat:

Flüchtling ist keine Identität, sondern ein Zustand“.

Mit freundlichen Grüßen

Tim Denecke

 

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